Der Familienname Quiring ist heute in vielen Staaten der Erde zu finden. Auffällig ist dabei das Vorkommen des Namens bei den Mennoniten, hauptsächlich in der Gruppe der Rußlanddeutschen Rückwanderer. Die Ursache dafür liegt in der Auswanderung der west- und ostpreußischen Mennoniten nach Russland aufgrund der Einladung der russischen Kaiserin Katharina II. ab 1786 und weiterer Wanderung innerhalb des russischen Zarenreiches. 1 Was die Herkunft des Familiennamens Quiring betrifft, herrscht allerdings nicht nur Uneinigkeit, sondern sogar Widersprüchlichkeit. Der folgende Beitrag soll zur Aufhellung dieser Problematik dienen.
Es liegt nahe, sich zunächst den gängigen Quellen zuzuwenden. Einigen Namenlexika 2 ist die Bedeutung gemein, die vom lateinischen Vornamen Quirinus ausgeht und diesen mit Lanzen- oder Speerträger wiedergibt, als ursprünglicher Name des Kriegsgottes der Sabiner. Die weitere Gemeinsamkeit dieser Quellen liegt darin, daß ein oder mehrere Märtyrer diesen Namen trugen und der Name dann als Taufname bzw. Vorname in der Schreibung Quirin davon entlehnt wurde. Aus diesem Vornamen sind dann verschiedene Laut- und Schreibungsvarianten abgeleitet worden. Zweifellos läßt sich so die Herkunft des Namens Quiring aus dem lateinischen Vornamen Quirinus ableiten.
Eine geographische Zuordnung ist im Vergleich dazu nicht so einfach möglich. In welcher deutschsprachigen Region der Familienname in der Schreibung Quiring oder ähnlichen Formen, wie zum Beispiel Quering, Quiringh, Quirinck, seinen Ausgang genommen hat, ist offen. Schaut man sich die namensgebenden Heiligen und deren Kulträume genauer an, läßt sich eine geographische Eingrenzung vornehmen. Heilige mit Namen Quirinus finden sich in Neuß am Rhein, am Tegernsee, in Malmedy (dem heutigen Belgien) und schließlich in Fulda.
Daß man von einer deutschen Namensgebung auszugehen hat, ist an der Endung - ing auszumachen. Sie findet sich zum einen als patronymische Kennzeichnung in Westfalen zur Bildung der Familiennamen als auch zur Bildung von Ortsnamen im süddeutschen Raum. 3 Andererseits wird sie auch zur Gutturalisierung im rheinischen Gebiet verwendet. Eine weitere mögliche Entstehung der Endung könnte die Ersetzung der Schlußsilbe - us durch ein - g in der deutschen Kurrentschrift bei Schreibung des Namens Quirinus gewesen sein. 4 Eine zusammenfassende Erklärung gibt eine sprachwissenschaftliche Bewertung, die hier ungekürzt wiedergegeben wird.
"Ihr Name geht ohne Zweifel auf den lateinischen Vornamen Quirinus zurück, den mehrere antike Märtyrer trugen und der deshalb auch in die christliche Namengebung des deutsch-/niederländischen Sprachraums eingegangen ist. Während er heute als Vorname keine wesentliche Rolle mehr spielt, war das im späteren Mittelalter und der frühen Neuzeit anders: Zahlreiche Familiennamen sind im deutschen und niederländischen Gebiet in verschiedenen Laut- und Schreibungsvarianten von diesem Namen abgeleitetet worden. Für eine Herkunft ihrer Namenform aus dem Niederländischen gibt es keine Anhaltspunkte (die normalniederländischen Namenvarianten sind Quirijns, Quirijnen). Es spricht alles für eine deutsche Entwicklung ihrer Namenform. Das kann in den Rheinlanden geschehen sein, wo in den Mundarten auslautendes - n nach Vokal zu - ng entwickelt wurde, vgl. etwa rhein. mundartlich wing für win, hochdeutsch Wein "vinum". Das ist aber nicht die einzige Möglichkeit. Der Familienname ist zunächst gemäß der altlateinischen Aussprache des Namens auf dem zweiten Vokal betont worden: Quir i nus. Durch Übergang auf die im Deutschen geläufigere Anfangsbetonung (Qu i rin) ist eine im Deutschen ungewohnte Endung (nebentoniges - in) entstanden. deren Angleichung an die geläufige Endung - ing nahelag und wohl an verschiedenen Stellen des deutschen Sprachgebietes erfolgen konnte. So eindeutig sich die Etymologie (ursprüngliche Herkunft) ihres Namens sprachgeschichtlich klären läßt: zur genealogischen Fragestellung, aus welchem Teil des deutschen Sprachgebietes der namenvererbende Teil ihrer Vorfahren gekommen ist, scheint der Name nicht sehr weiterzuhelfen." 5
Nach diversen Kirchenbuchrecherchen läßt sich folgendes feststellen: der Familienname QUIRING ist in verschiedenen Regionen des deutschen Sprachraumes nachweisbar. Er taucht beispielsweise in Darmstadt 6 auf, wo er aus dem ursprünglichen Namen QUIRIN gebildet wurde. Es handelt sich bei dieser Familie um Nachkommen eines N. Quirin aus Markirch im Elsaß, deren Namensänderung um 1720 durchgeführt, aber nicht durchgängig beibehalten wurde. Ein anderes Beispiel findet sich in St. Ingbert/Saarland, wo die Nachkommen des Johann Bernhard Quirin 7 aus Ensheim 1799 den Namen Quiring durch einen Übertragungsfehler des Standesbeamten erhielten und ihn bis heute tragen. Ferner gibt es einen Luxemburger Zweig der Quiring, deren Vorfahren aus dem Raum Trier stammen und ebenfalls ursprünglich Quirin hießen. Quirin - Quiring waren weiterhin im Banat und der Batschka zu finden, wobei der Name schon in der Heimat gleichbedeutend Verwendung fand, sich dann aber mit - g Endung weitestgehend durchsetzte und bis heute erhielt. Sie stammten zum Beispiel aus Ensheim/Saarland, Albisheim/Nassau Weilburgisch, Wolfskirchen/Grafschaft Saarwerden. 8 Viele der Nachkommen dieser Familien sind in die USA und nach Kanada ausgewandert. 9
Die älteste Erwähnung des Namens Quiring (auch in der Schreibung Quirinck) 10 findet sich allerdings in Westpreußen, genauer in den Gemeinden Schinkenberg und Kanitzken, Kreis Marienwerder. Im evangelischen Kirchenbuch 11 gibt es zwei Familien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, noch bevor Quiring in Danzig 12 zum ersten Mal erscheint. Die Nachkommen dieser Familien müssen sich dann sehr schnell den Mennonitengemeinden angeschlossen und in ihnen weiter ausgebreitet haben. Da der Name schon vor dem Ältesten der Danziger Mennonitengemiende Quirin Vermeulen existierte, lassen sich zu diesem auch keine verwandtschaftlichen oder namenkundlichen Beziehungen herstellen. 13 Die Spekulationen bezüglich der Namenherkunft, von verschiedenen mennonitischen Autoren 14 geführt, lassen in Anbetracht der bisherigen Ausführungen nachweislich weder eine friesische noch niederländische Abstammung erkennen.
Die abschließende Feststellung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die, daß es sich um zwei verschiedene Stämme Quiring handelt, die territorial Westpreußen und den beiden Bundesländern Saarland und Rheinland-Pfalz zuzuordnen sind. Da der Name hauptsächlich unter den Mennoniten und deren Nachkommen zu finden ist (durchweg alle bisher ermittelten Namensträger Quiring aus der ehemaligen Sowjetunion sind Nachkommen der Mennoniten aus Ost- und Westpreußen) läßt sich letztendlich in diesem Zusammenhang Quiring als ein mennonitischer Familienname festhalten.
Quelle: Mennonitische Geschichtsblätter. Autor: Peter Quiring, Dortmund. Herausgegeben vom Mennonitischen Geschichtsverein; 53.Jahrgang 1996, ISSN 0342-1171